Um neue Ansätze für die Strahlentherapie entwickeln zu können, sind auch Experimente an Tieren, zumeist an Mäusen, nötig. Die Gruppe „Präklinisches Imaging für die Radioonkologie“ ist darauf spezialisiert, Versuchstiere mit innovativen Bildgebungssystemen zu untersuchen. Diese ähneln den modernen Verfahren, die auch beim Menschen angewandt werden. Sie wurden aber speziell für kleine Tiere entwickelt (z.B. Mikro-CT, Kleintier-PET/MRT, Kleintier-Ultraschall und Optisches Imaging).
Die Wirkung von Strahlen auf Tumoren kann im Tierexperiment mit verschiedenen Methoden überprüft werden. Eine Standardmethode besteht darin, den Tieren menschliches Tumorgewebe (z.B. von Lungen- oder Hirn-Tumoren) subkutan, das bedeutet unter die Haut, zu transplantieren. Aus diesem Gewebe wachsen dann so genannte experimentelle Tumoren. Da sie direkt unter der Haut gelegen sind, lassen sie sich ohne Gefährdung innerer Organe der Versuchstiere mit einfachen Methoden bestrahlen. Diese Standardmethode besitzt jedoch auch Nachteile. Denn bei menschlichen Tumoren spielt auch die so genannte Mikroumgebung des Tumors eine wichtige Rolle für den Erfolg einer Strahlentherapie. Dabei handelt es sich um das zelluläre Umfeld und die Bedingungen im Inneren des Tumors. Zahlreiche Studien legen nahe, dass sich diese Eigenschaften menschlicher Tumoren im Tierexperiment besser abbilden lassen, wenn der experimentelle Tumor orthotop, das bedeutet am Ort des Herkunftsgewebes, angesiedelt ist. Bei „orthotopen Tumormodellen“ wird das menschliche Tumorgewebe daher in das entsprechende Ursprungsorgan transplantiert, also zum Beispiel direkt in die Lunge oder das Gehirn des Versuchstiers. Allerdings sind die Anwendung dieser Methode und die Auswirkungen auf Endpunkte und Fragestellungen in der Radiobiologie bisher wenig untersucht. Ein wichtiges Ziel der Arbeitsgruppe ist es daher, orthotope Tumormodelle unter radioonkologischen Gesichtspunkten systematisch mit subkutanen Standardmodellen zu vergleichen.

Verschiedene Tumormodelle - links, Mitte - und SAIGRT-System zur Bestrahlung – rechts @Antje Dietrich

Für die Bestrahlung der Tiere können die Wissenschaftler hierbei das von der OncoRay-Forschungsgruppe „Medizinische Strahlenphysik“ entwickelte „SAIGRT-System“ (Small-Animal Image-Guided Radiotherapy) nutzen. Dieses ermöglicht eine bildgestützte, präzise Bestrahlung der orthotopen Experimentaltumoren. Das ist wichtig, um bei den Versuchstieren – wie bei menschlichen Patienten auch – in der Nähe des Tumors liegende Organe zu schützen und nur den Tumor selbst mit hohen Dosen zu bestrahlen. 

Aktuelle Forschungsschwerpunkte der Gruppe (Auswahl):

  • Systematischer Vergleich von orthotopen und subkutanen Tumormodellen unter radioonkologischen Gesichtspunkten.
  • Weitere technische Verbesserung der im Tierexperiment eingesetzten Systeme in Zusammenarbeit mit anderen OncoRay-Gruppen. Beispielsweise werden innovative Tierliegen konstruiert, die es ermöglichen, das Tier mit verschiedenen Bildgebungsverfahren zu untersuchen, ohne dass seine Lage verändert werden muss. Die so erzeugten Daten sind besonders präzise und können für die sehr genaue Planung der Bestrahlung genutzt werden, welche schließlich mit dem SAIGRT oder auch am experimentellen Protonenstrahl erfolgt.
  • Klärung von Fragestellungen aus der klinischen Strahlentherapie im Labor. Hierbei werden im Tierexperiment ähnliche Techniken genutzt, die auch in der Behandlung beim Menschen zum Einsatz kommen (z.B. CT, PET/MRT). Die modernen Bildgebungstechniken bringen nicht nur sehr genaue Ergebnisse, sondern erlauben es auch, die Anzahl der Versuchstiere zu reduzieren und sie möglichst schonend zu behandeln. Ein fächerübergreifendes Projekt untersucht aktuell die Veränderungen des Gefäßnetzes und der Sauerstoffversorgung von Tumoren bei Bestrahlung mit Photonen, Protonen und Carbon-Ionen (in Kooperation mit der Schwesterinstitution HIRO).
  • Einsatz von patientennahen Modellen und Techniken, um neue Behandlungsstrategien zu testen und ihre schnelle Übertragung in die Klinik voranzubringen.